Ina Gille zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Nord 1987
Anemone und Eckart Meisel sie 1950,
er 1955 geboren, leben und arbeiten gemeinsam in einer Wohnung, die sie
mit ihren vier Kindern teilen. Das älteste der Kinder ist
sechzehn Jahre, das jüngste vier Monate alt. In die Krippe
sollte keines gehen. So ist die immerwährende Nähe
dieser Kinder als ständige Anregung, und Bedrängung
gleichermaßen in das Schaffen beider Künstler
eingegangen.
Anemone Meisel hat 1984 an der
Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst ihr Diplom
erhalten. Begonnen hatte sie ihr Studium 1977. Während der
Studienzeit brachte sie ihr zweites und drittes Kind zur Welt, Eckart
Meisel hat nur das erste Studienjahr (1979/83) an der Hochschule
absolviert. Er ist als Autodidakt seinen Weg gegangen.
Das von beiden vorliegende Werk ist
sehr unterschiedlich. Unterschiedlich in Quantität und
Herangehensweise. Immer wieder unter Zeitdruck unterbrochen durch die
Geburten der Kinder, längere Krankheiten ist das Werk der
Anemone Meisel bruchstückhaft erst und sporadisch. Wenige
Holzschnitte und Malereien sind es bisher, die allerdings eine sensible
Künstlerin verraten. Zwischen den Jahren 1984 und 86, vor der
Geburt ihres vierten Kindes, war ihre bisher produktivste Zeit.
Intensive kleinformatige Malereien zeigen eine Welt lichter Farbigkeit,
bevölkert von Frauen und Kindern. Empfindsam moduliert oder
breit aufgetragen" wird, die Farbe, zum wichtigsten
Ausdrucksträger ihrer Bilder. "Zwee Naggsche"
kräftige Frauenkörper am Strand, in sich versunken
ganz Da- Sein in einer durchsonnten Landschaft, die Körper
eins mit sich und dem Lebensraum. Leise Poesiebricht aus dem Bild, sie
durchweht auch die anderen Arbeiten, blüht sogar ab und an
grell auf. Menschlichkeit und Würde, die "Königin mit
Fächer und Katze" wie auch der kleine König in seinem
Kinderreich, noch im Einvernehmen mit der Schlange. Alles fern von
Hektik ein Gang in die innere Welt. Ausgeklammert bleibt der
Widerspruch zwischen Kindern, sozialem Umfeld und dem Wunsch nach mehr
freier Zeit für schöpferisches Arbeiten. Er scheint
zugedeckt von einer stillen Sehnsucht aus der heraus Farben und Formen
leuchtende Harmonien produzieren. Nur zweimal ironische Brechung ins
disziplinierte Maß des Bildes zurückversetzte
Fragen, "Frau und Mann", "Mann und Frau". Ist die Frau im Bild'
dominierend, hält der Mann, Abstand, Ist es umgekehrt, lehnt
sich die Frau an den Mann an. Was kostet Selbstbewusstsein, ist beides
zu haben Selbstbehauptung und Geborgenheit?
Eckart Meisel hat, ein anderes Werk
vorzuweisen, eine ununterbrochene Kontinuität, ausufernden
Suchen, wechselnder Ausdruck, expressives Zerwühlen und
Flächenhaft ornamentales Gebundensein. Auch bei ihm ist der
Bildraum geprägt vom Erlebnisraum der Familie. Doch
unmittelbarer als bei seiner Frau, häufig ironisch, skurril
gebrochen. Gleichwohl der Künstler den heiteren Matisse liebt,
das "gedankenschwere Deutsche" nicht sonderlich mag, kann er es dennoch
aus seinen Arbeiten nicht ganz verbannen. Seine Malereien sind immer
auch Lebensbewältigung, Problemverarbeitung. So auch weitet
sich die Sicht von der Familie in die, Zeit hinein, werden
Gefährdungen des Menschseins, Versuchungen, Irrtümer
transparent. Skurriler Humor, Leichtigkeit sind ihm dabei Schutz,
helfen ihm Distanz zu finden. Auf zweien seiner Bilder sind Mann und
Frau als Hähne und Hühner gegeben, Das spreizende
Gegacker übertönt, die existentiellen
Bedrängnisse, die Ängste im Mit- und Gegeneinander
der Geschlechter obwohl es in der splitternden Formsprache latent
bleibt. Ähnlich, wenn auch formal anderes die eigenwillige
Badeszene, bei der die vier nackten Gestalten in je, ein Bildviertel
verwiesen wurden; zusammengekauert, sich in Positur setzend oder
ausspähend nach dem anderen. Auch hier setzt Ironie eine
Grenze die wie das Wasser die zwei Drittel eines Eisberges hier das
Ausmaß drohender Vereinsamung verdeckt. Doch es gibt
genügend Malereien die, sich ohne ironische Distanz
offenbaren. Die "Abtreibung"; auf einem Fell steht die nackte Frau, ein
Paar geht aus dem Bildraum, ein Kind bleibt zurück, allein.
Alles scheint auseinander zu streben, die Flächen werden zum
Existenzraum, die Dekorationen verflüchtigen sich. Daneben
heitere, unbeschwerte Bilder. Die "Dicke Frau auf dem Teppich",
Fläche und Körper beziehen sich aufeinander, Ruhe und
Konzentration, dünner, matter Farbauftrag. Die "Kinder auf dem
Dreirad, hingeschrieben, festgehalten, locker und zugleich intensiv.
Das Portrait "Frau mit Katze", ruhige Gewissheit, in die
Fläche eingeschriebenes Ornament, Gesicht und Hände
leuchten auf, die hellen Hände bergen behutsam die Katze. In
letzter Zeit haben sich die zerwühlten Hintergründe
beruhigt, die Konzentration liegt auf den Figuren die:
bewußter in die Flächen gesetzt werden. Die
expressiv gesteigerte Körper- und Gebärdensprache
hingegen bleibt erhalten, kantige Linien betonen vielfach die Umrisse,
ein flächenstrukturierender Rhythmus scheint immer
stärker den Bau der Bilder zu bestimmen. Das ist
gleichermaßen Ausdruck gewonnener innerer Sicherheit wie
gereiften formalen Vermögens. Auf seine grafischen und
keramischen Arbeiten kann hier nur hingewiesen werden. Sie stehen in
folgerichtigem Zusammenhang, mit den Malereien. Die keramischen
Plastiken wirken dabei wie aus den Bildern gewachsene Figuren,
herausgedreht, herausgeschraubt. Hier nun der unverhüllte
Spaß an ironisch - hintersinniger Übertreibung, an
holpernder Übersteigerung.
Ina
Gille
Auszüge aus einer Rede von
Dr. Ina Gille, gehalten anläßlich der
Ausstellungseröffnung von Eckart Meisel im Kunstkaufhaus
Leipzig am 26.2.1998
..........Also, er malt noch, und
wie er noch malt. Und immer noch scheint es ein ausuferndes,
getriebenes Arbeiten zu sein, gespannt zwischen die Extreme, einerseits
den Schönheiten des Lebens nahe zu kommen, das Helle, Lichte
zu schauen und sich andererseits nicht abwenden zu können von
Gewalt und Abgründigem, beides auch immer wieder als eng
miteinander verwoben zu begreifen. Ein phantasierendes Arbeiten, hinter
dem reale Erfahrungen stehen, direkte Auseinandersetzungen, Erlebnisse,
die auf der Fläche ein eigenes Leben erwirken, autark werden,
unabhängig, nicht aber denkbar ohne das soziale Umsfeld ihres
Entstehens.
Eckart Meisels Arbeiten sind
härter, konsequenter geworden, entschiedener auch was den
formalen Aufbau betrifft. Sie haben etwas von der urbanen Anspannung,
von der Spannung der letzten Jahre, vom dichten Gedrängtsein
der Menschen in engen Räumen, seien es die konkreten
Räume ihrer Existenz oder die ausweglosen Labyrinte ihres
Inneren.
Die Räume seiner Bilder
bauen sich aus Flächen die sich spiegeln und einander
durchdringen, ungewöhnlich miteinander verzahnt werden, einen
sich öffnenden Raum auch wieder in die zweidimensionale Enge
zurückdrängen können. Die Figuren werden
solange überzeichnet, verrückt, gedreht und gewendet,
bis sie an die ihnen zugedachten Orte in diesen Raum-Flächen,
passen, ihnen nun unverrückbar angehören, -manchmal
wie eingefroren. Fast immer sind es tonige Farbakkorde, ohne
glänzende Lichter, oft gebrochen ins Violett, aus erdigem
Grün oder verhaltenem Ocker, halten sparsame Rots diese
Raum-Flächen-Gebilde zusammen, schmieden sie in eine
Gesamtstimmung.
Eckart Meisel versteckt seine
Verehrung für Picasso nicht. Man sieht, daß hier
einer nach dem großen Meister am Werk ist. Was ihm dabei
gelingt, ist dieses Erbe auf originelle und eigenwillige Weise mit den
schlingernden Selbstvergewisserungen der 90er Jahre, den floralen
Ornamenten zu verbinden, gewiß ganz unbeabsichtigt. Und ihn
interessiert nicht, ob man heute so malen darf, ob das modern und in
Mode ist, ihn interessiert allein daß er es so macht, so
machen muß. Den Preis für eine solche Haltung zahlt
er seitdem er malt, dieser halbe Stadtindianer mit dem
verträumten Ausdruck im Gesicht und der Zähigkeit
eines Landstreichers.
Dabei ist er kein Moralist, nein,
immer ist er auch selbst ein Stück der heillosen Welt, nimmt
sich nicht aus aus dem Spiel um Macht und Ohn-Macht, wenn auch die
Gewichte sehr ungleich verteilt sind. "Beim Sozialamt", ein beklemmend
wahres Bild, mit einem die Dinge verkehrenden Sarkasmus gemalt.
"Langhaariger und Skin", eine zaghafte
Berührung........"Aufmarsch", Einbruch der
Zerstörung, übermächtiger Stiefel, bleibt es
ein Bild, ist eher alptarumschwer wie seine "Morgenröte", das
kleine rosa Wölkchen im Schwarz des Himmels....Und Kain, der
seinen Bruder erschlug, ein Schwarzer? Könnte die Geschichte
auch anders erlaufen sein, Eckart Meisel als Kain ? Ausgeschlossen wird
nichts.
"In Baden-Baden", urbanes Treiben,
staunend sarkastisch beguckt, schillernd irisierende Farbe, das kennt
man doch, woher nur, war es gestern an der Ecke oder ein Traumgesicht.
Doch die Brechungen können auch unvermittelt skurril sein,
gemalt mit der List und bösen Lust eines
Sehenden.......Zugleich liebt der Künstler das Dasein, er mag
die vielen Alltäglichkeiten die es ausmachen, sucht nach
seinen Schönheiten. In den kleinen Akten, genrehaften
Beobachtungen, manche federleicht, wie ein schöner Tagtraum,
kann man es finden.
Fast überall ist der
Künstler selbst anwesend, oft schlüpft er in Rollen,
spielt, ist Gaukler. Die "Heimkehr des verlorenen Sohnes". Ist er der
Verlorene, und war er überhaupt verloren oder waren es
vielmehr die, die nun auf der langen Straße auf ihn warten.
Nie sind die Antworten einfach zu haben. "Meine Frau und ich", zwei mit
Federn geschmückte Häupter vor einer Wand, oder auf
diese gemalt, Bild im Bilde? Ja, poetisch, sind diese Malerein.
Poetisch und schrill sarkastisch, locker geschrieben und
grübelnd ermalt, bitter und süß, in einem
längst vergessenen Wortsinn.
Nicht zu übersehen sind
die keramischen Arbeiten des Künstlers;
Gefäße und Krüge, Figuren, die die Familie
quasi über Wasser halten, wie schon seit vielen Jahren. Harte
Arbeit, oft gemeinsam mit seiner Frau, um Geld zu verdienen. Aber sie
sind darüberhinaus mehr, sie sind das plastisch gewordene
Arsenal seiner Bilder, ulkig und skurril, verrückt und
geschraubt, blasiert und lustig, liebevoll und dreist. Sie stehen oder
tanzen, beugen sich vorsichtig in den Raum oder füllen ihn mit
unverschämter Selbstverständlichkeit. Die farbigen
Glasuren werden zurückhaltend aufgebracht, gehen den
Körpervolumen nach und bleiben der Farbe des gebrannten Tons
verpflichtet, die überall noch durchscheint. Skurrile
Klötze von machtvoller Fülle neben zerbrechlichen
zarten Figürchen.
Weil ich es nicht besser
könnte, zitiere ich am Schluß aus einem seiner
Texte:"Bilder und Lieder sind ein Ausweg aus unserem Zwiespalt.
Zwischen den Zeilen, in den Figuren finden wir Träume und
Wirklichkeit in einer Gestalt.....Wenn wir hinter schönen
Farben die schlimme Wahrheit ahnen, zwischen grimmigen Gestalten die
Heiterkeit entdecken, ist es jenes Unaugesprochene was uns anspricht,
jenes Vergangene, was gegenwärtig ist."
Zur Eröffnung der Ausstellung "Herr Sonne und Frau Mond" in der L+S Präzisionsguß Gmbh Wermsdorf
Verehrte Anwesende, lieber Eckart,
liebe Anemone, und selbstverständlich
begrüße ich auch Herrn Sonne und Frau Mond...
Als ich Eckart Meisel im Sommer
1988 erstmals begegnete, wollte ich eigentlich gar nicht zu ihm. Ich
suchte nach der Malerin Anemone Meisel (Sikoralski), wollte mit ihr
eine Ausstellung in der Kulturbund-Galerie Nord machen. Eine Galerie,
in der seit einiger Zeit nur noch Künstlerinnen vorgestellt
wurden. Kleiner eroberter Freiraum, in dem ziemlich viel
möglich war.
Ich machte mich also auf in die
Kohlenstraße, wo Anemone Meisel wohnen und arbeiten sollte.
Hatte mich angemeldet. Düstere Gegend, rußig, wie
ausgestorben. Der Name der Künstlerin war mir von einigen
zugeflüstert worden, dass sie gut wäre,
ungewöhnlich, mir gefallen würde. Dass es da noch
einen Maler gab, zu dem Zeitpunkt keine Ahnung. Ich trat in das
verfallende Haus, Jahrhundertwende, die schlechtere
Ausführung, lief die ausgetretenen Stufen hinauf, suchte nach
dem Namensschild, klingelte. Ein Mann öffnete die
Tür, ließ mich eintreten, führte mich in
die Küche. Dort saß Anemone Meisel am Tisch,
aufrecht, rote Locken umrahmten ihr Gesicht, unnahbar. Ich war
beeindruckt, und das in der Kohlenstraße, derweil Ameisen
über das blank gescheuerte Holz des Tisches liefen und aus dem
Fenster der Abwasserschlauch der Waschmaschine hing. Vier Kinder,
schoss es mir bewundernd durch den Kopf-, ich konnte meine zwei kaum
bändigen.
Eckart Meisel, Pfeife rauchend oder
das was ich dafür hielt, hatte ein listiges Lächeln
aufgesetzt, tat ahnungslos, freute sich auf die Ausstellung, zu der es
ein Faltblatt und ein Plakat geben sollte. Wann es denn losgehen
würde. Ich war verblüfft. Männliche
Künstler waren nicht vorgesehen im Konzept der Galerie Nord.
Meine Argumente berührten Eckart Meisel nicht,
selbstverständlich würde er mit Anemone gemeinsam
ausstellen. Ich konnte gar nicht anders, musste kapitulieren, zumal die
beiden einen Ausreiseantrag laufen hatten, es würde ihre
letzte Ausstellung im Osten sein.
Es war dann eine tolle
Eröffnung, viele Menschen, alle interessiert. Verkauft haben
beide, nicht nur die wunderbar bemalten keramischen Schalen und
Töpfe, auch Bilder. Euphorie und gedrückte
Abschiedsstimmung. Sie wären am liebsten geblieben und wollten
am liebsten fort...
Dass mir nach 1990 von irgend
jemandem mal wieder zugeraunt wurde, dass die Meisels wieder in Leipzig
seien, gewundert hat es mich nicht, gefreut schon.
Das ist über zwanzig Jahre
her. Die Bildwelten des Eckart Meisel haben sich seit dem
verändert, auch wenn die ausufernde Grundstruktur, das
Suchende, Getriebene geblieben sind. Da kämpft einer lustvoll
mit dem Material, den Farben, den Gründen, dem was er will, es
beim Malen zu fassen und zu begreifen. Ein zäher listiger
Kerl, ein aus dem Mangel heraus Arbeitender, der sich über das
Malen, das künstlerische Tun Leben, Lebendigkeit sichert. Es
macht ihm Spaß, es fordert ihn heraus, es bestätigt
ihn. Und noch immer greift bei ihm eins ins andere; sein soziales Sein,
seine Malereien, seine keramischen Arbeiten, seine wie grad mal so
hingeworfenen Texte, die am Computer entstehenden Grafiken, alles
bedingt einander, feuert sich gegenseitig an.
Immer mehr scheint er in den
letzten Jahren zu einer Art Regisseur geworden zu sein. Auf den
Leinwänden zeigt er uns seine Bühnen, auf denen er
Schauspieler auftreten lässt, die eigenwillig abstruse Szenen
aufführen. Grotesk maskiert und verkleidet, verfremdet,
hintersinnig oder ins Märchenhafte getrieben, agieren sie wie
selbstverständlich in ihren gemalten Räumen.
Eckart Meisel hat dabei keine
Hemmungen, warum auch, er sieht sich sowieso als Außenseiter,
also greift er um sich, hat seinen Arbeiten in den letzten Jahren eine
neue Dimension hinzugefügt, will sie gesichert wissen in den
kulturell-künstlerischen Traditionen der Menschheit,
gräbt nach alten Schöpfungsmythen, sucht nach
Ritualen, kosmischen Zusammenhängen, Urmustern menschlichen
Verhaltens, sie mit unserem heutigen Sein ins Verhältnis zu
setzen. All das kombiniert er auf seinen Bildern, hin zu den ganz
eigenen Meiselschen Bildmustern, die natürlich auch naiv
spielend entstehen, aber noch lange keine naiven Bilder sind. Da
weiß einer um die Bildsprache, geschult vor allem an der
Französischen Kunst des vergangenen Jahrhunderts, Picasso und
Matisse mögen als Hinweis genügen.
Ist schon ziemlich furios, was er
da auf den Flächen macht, wie er seiner Kombinatorik und
assoziativen Zusammenschau freies Spiel lässt. Man
spürt die Hast des Machens, den Kraftakt, das Eruptive bei
allen leisen Zwischentönen.
Gratwanderungen, bei denen es dem
Künstler gelingt, Bilder erstehen zu lassen, geordnete
Gefüge aus Farben und Liniengeflechten, die uns Einblicke
erlauben, unsere Phantasie herausfordern. Malereien leicht
dämmriger Farbigkeit, spröd, dünn
aufgetragene mit Kasein vermischtes Öl, bei der immer wieder
unerwartet Farbakzente aufleuchten, aus denen heraus die
Bildräume wachsen, in die die Figuren und architektonischen
Gebilde eingeschrieben werden.
Wenn man sich einmal eingesehen hat
in diesen Bildkosmos, wird man begreifen, dass es viele
Zugänge zu diesen Bildern gibt, und der eine erste, immer in
uns selbst liegt, ob wir bereit sind, uns zu öffnen, unseren
Augen und Empfindungen zu trauen, bereit auch das Augenzwinkern
mitzulesen, das Schalkhafte nicht auszublenden und den Ernst mit dem
all das grundiert ist anzunehmen.
Ja, dieser Maler erzählt,
führt vor, und man kann seine Malereien surreal nennen.
Traumzeugnisse, angehaltene Zeit, bei aller Hektik des Geschehens
merkwürdige Ruhe. Doch es geht um uns, unsere Zeit. Die durch
die Bühnenräume suggerierten Abstände
schmelzen bei längerer Betrachtung.
Symbole und Spieglungen aller Art,
in denen wir uns finden können, Verkleidungen, unter denen das
heute lagert, bis hin zur Scheherezade, die die Geschichte vom Stern
erzählt. In dieser Erzählerin können wir
durchaus auch den Künstler sehen; wie er erzählt,
direkt zugreift, raunt, flüstert, betört, sich Zeit
zu stunden...
Helden seines Werkes sind vor allem
Frauen, in ihrer ganzen Allmacht, Widersprüchlichkeit und
Schönheit. Wir finden Madonnen, Göttinnen, Seherinnen
und Mädchen, neben Parzen, die an eigenartig verschrobenen
Maschinen noch immer Schicksale weben, es gibt Erzählerinnen,
Verführerinnen, Retterinnen, z.B. die, die den Wassermann vom
Eis holt, oder aber dumme Herrscherinnen, die wie aus
Schneckenhäusern auffahren, wobei ihre Häuser jeden
Moment zu Rollstühlen mutieren können.
Die Königin von Saba
betritt das Land, alttestamentarische Figur, wird hier zu einer anderen
Venus und bekommt, durch das eigenartige Gefäß in
ihren Händen, gebildet aus einer Schlange, die sich in ihren
Schwanz beißt, Züge der Pandora, vielleicht gerade
dabei, neben den Plagen auch die Hoffnung in die Welt zu lassen. Meine
Kleine Kali, nicht von ungefähr taucht sie in Meisels Werk
auf. Göttin des Todes und des Lebens in einem. Ewige
Gebärerin wie Todesbringerin. Verwandlung, Kreislauf der
Natur. Leben, was ist das.- Auch Ariadne (Das Fadenspiel) fehlt nicht.
Der Schicksalsfaden, das rote Wollknäuel, mit dessen Hilfe
Theseus aus dem Labyrinth wieder zurückgefunden hat, nachdem
er mit dem Schwert, das ihm Ariadne ebenfalls mitgegeben hatte, den
Minotaurus getötet hatte. Sein Versprechen, bei Ariadne
bleiben zu wollen, löste er nach seiner Heldentat nicht ein,
sie blieb allein auf der Insel zurück...
Männer auf seinen Bildern
sind die, die in die Welt ziehen, Abenteuer bestehen, Drachen zu
töten haben. Häufig clowneske Gestalten, in
Rüstungen gesteckte Reiter, merkwürdige
Familienväter, verstrickt in Hierarchien. Gespensterhafte
Helden, die einer Grille hinterher jagen, die aus einem
Gemäuer springt wie von einer Fernsehscheibe. Bei der Heimkehr
des verlorenen Sohnes tritt uns Abwehr entgegen, Herrschaft, statt
Verstehen und Verzeihen.
Immer wieder treffen wir in diesem
Werk auf Augen. Augen gepaart zu Schmetterlingsflügeln, unstet
herumirrende Augen oder dem einen, allsehenden Auge Gottes. Uraltes
Symbol zudem, und Meisel ist ein Maler, die Augen sein Medium, durch
das er die Welt sieht. Bei der Malerei Einauge, Zweiauge und Dreiauge,
ist das im Titel zitierte Märchen nur noch ferne Grundierung,
da hier die Meiselsche Augen-Version gesponnen wird, eine von Macht und
Ohnmacht, von Sehen und Blindsein. Es ist zu fühlen, die
mögliche Falschheit, und dass das Sehen mehr ist als das
Abspiegeln eines Bildes auf der Netzhaut, es ist Erkennen, sollte es
zumindest sein.
Eines seiner beeindruckendsten
Bilder der letzten Jahre ist für mich die Malerei Die vier
Erzengel. Ausgerichtet nach den vier Himmelsrichtungen verteilen sich
die Engel im kaum fassbaren Raum des Bildes um eine leere Mitte. Alles
scheint zu splittern, sich in spitzigen Formen aufzulösen. Die
Farben von gläserner Klarheit. Ungeheurer Vorgang, den man als
Spielart des Jüngsten Gerichts lesen kann. Mühevoll
versucht der Künstler Ordnung zu schaffen, die ihn umgebende
Welt zumindest auf der Leinwand zu bändigen, mit Hilfe der
Engel zu bannen, seiner Vision von Chaos und Unordnung Herr zu werden,
sich damit auch seiner selbst zu vergewissern, auf der Leinwand das zu
tun, was in der wirklichen Welt nicht auf diese Weise zu schaffen ist.
Daneben gibt es wunderbare
Selbstbildnisse, offen, leise ironisch gebrochen. Selbst mit Uschebti.
Doppelgängermotiv, Gespräch mit sich selbst. Da
hält sich der, dem die roten Haare flammend zu Berge stehen,
sein imaginiertes Ich vom Hals, das nicht weichen will. Wie sollte er
das auch loswerden... Oder der gerüstete Reiter auf dem
Vogeltier, das Herz auf der Brust, vor verschlossener Brücke.
Über andere Verkleidungen will ich nicht spekulieren, finden
sie sie selbst.
Ja, sich mit diesen Bildern zu
beschäftigen, ist immer auch vertracktes Spiel. Deshalb
Vorsicht vor zu schnellem Verstehen-Wollen. Da ist nicht alles bis
zuletzt aufzulösen. Je mehr sie eindringen in diese
Bildwelten, je näher sie ihnen zu kommen meinen, umso
nachdrücklicher können sie sich wieder
zurückziehen, und sie werden erneut einen Zugang suchen
müssen. Doch das ist zugleich die Qualität dieser
Arbeiten, ihr besonderer Reiz.
Zugleich gibt es Malereien, die
keiner Erklärung bedürfen, die ganz in sich ruhen,
aus sich heraus schwingen. Denen müssen wir uns nur
vorbehaltlos öffnen, in sie zu gelangen. Ich meine die freien
Landschaften, neue Töne in seiner Kunst. Geschaute Ordnung der
Natur. Ja, auch sie sind mit Symbolen unterlegt, doch ihre atmende
Weite kommt aus der Bildstruktur selbst. Wie sich der Himmel spannt,
der Weg ins Innere führt, oder der Horizont aufleuchtet. Sie
sind schön, das ist sehr viel.
Und freuen sie sich an den
Skulpturen, die wie aus den Bildern herausgesprungen scheinen, sich uns
in vollplastischer Präsenz zu zeigen. Ulkige Gestaltungen,
Spaß und Ernst, Verwandlung und skurriles Spiel mit
Größenverhältnissen und Symbolen. Der
tapfere Georg, der gegen einen aufgeblasen wirkenden Drachen
kämpft, und auch das Pferd noch auf seinem Kopf zu tragen hat,
das sagenhafte Einhorn mit seiner Sänfte, die in sich ruhende
Madonna mit der Spinne auf ihrem Fuß, die sich buckelnde
Schlange. Entdecken sie diese Figuren, die sich frech oder
majestätisch vor uns aufbauen, uns anzusehen... Sie werden dem
Künstler nahe kommen, seinem listigen Lächeln,
scheinbar arglosen Schauen, und ich sehe ihn wieder, wie er mir vor
über 20 Jahren die Tür öffnete, wie er heut
unter uns steht. Er wird weiter seine Bahn ziehen.
Eckart Meisel Arbeiten
auf PapierZentrum für
leukämiekranke Kinder Universitätsklinik Leipzig
1.12.2009
Zeichnungen sind eine der
direktesten, auch privatesten Mitteilungen in der bildenden Kunst. Mit
ihnen zeigt sich der Künstler quasi ohne Netz, da gibt es
nichts zu vertuschen, auch Übermalungen, ständiges
Korrigieren sind auf den oft fragilen Papieren kaum möglich.
Sie entstehen meist in einem Zug, wenigen Minuten oder Stunden. Wollen
und Können, Vorlieben und Abneigungen werden sehr direkt
sichtbar. Auch die Handschrift eines Künstlers hat im Zeichnen
ihre Wurzeln, wird dort geerdet. Dabei geht es nicht darum, inwieweit
jemand fotografisch etwas nachzeichnen kann, das ist zu erlernen, es
geht um das Umsetzen des Gesehenen oder Erlebten in Bilder, geht um das
Bildwerden eines Gedankens oder Gefühls.
Das ist Eckart Meisels Metier. Er
zeichnet nicht vor der Natur, macht keine Studien zu Bildern. Er
assoziiert frei, erfindet, kombiniert, bindet zusammen. Seine
Blätter atmen Unmittelbarkeit und Frische, sind spontan, was
nicht bedeutet, dass sie kunstlos oder einfältig
wären, oder nur so schnell mal hingeschrieben sind. Ganz und
gar nicht. In ihnen steckt bereits der gesamte Kosmos seiner
Bildfindungen.
Meisel ist ein Künstler,
der lustvoll mit dem Material kämpft, mit den Farben, den
Gründen, dem was er will, es beim Zeichnen, Malen und
keramischen Gestalten zu fassen und zu begreifen. Ein zäher
listiger Kerl, ein aus dem Mangel heraus Arbeitender, der sich
über sein künstlerisches Tun Leben, Lebendigkeit
sichert. Es macht ihm Spaß, es fordert ihn heraus, es
bestätigt ihn. Dabei greift eins ins andere: sein soziales
Sein, die auf Papiere fabulierten farbigen Zeichnungen, die Malereien,
die keramischen Gestaltungen, seine wie grad mal so hingeworfenen
Texte, die am Computer entstehenden Grafiken-, ein einziger
großer Zusammenhang, all das bedingt einander, feuert sich
gegenseitig an.
In dieser Ausstellung erhalten sie
anhand ausgewählter Zeichnungen, die alle 2006 entstanden
sind, einen kleinen Einblick in dieses ausufernde Werk. Wie in einem
Schaffensrausch scheinen ihm diese Zeichnungen aus der Hand geflossen
zu sein. Lineaturen in Feder, Tusche und Kugelschreiber, unterlegt mit
Wasserfarben, verstärkt durch leuchtende Ölkreiden
auf kostbaren Büttenpapieren. Farbige Blätter, die
dem Linearen verpflichtet sind und sich aufspannen können zu
Bildräumen, in denen eigenwillig Abstruses geschieht.
Traumwelten, oft gefangen in luftloser Stille, surreale Zwischenreiche.
Eckart Meisel kennt beim Zeichnen keine Hemmungen, warum auch, er sieht
sich sowieso als Außenseiter, also greift er bedenkenlos um
sich, gräbt nach alten Schöpfungsmythen, sucht nach
Ritualen, kosmischen Zusammenhängen, Urmustern menschlichen
Verhaltens, sie mit unserem heutigen Sein ins Verhältnis zu
setzen. Macht und Eros, Verhältnis der Geschlechter und immer
wieder Verwandlungen sind die großen Themen, denen er
nachspürt. Er spielt es durch, fabuliert, phantasiert, begibt
sich selbst ins Geschehen, wird zum Ritter oder König, zum
Sonnenmann oder Vogelmensch. Man spürt die Hast des Machens,
das Eruptive, die leisen Zwischentönen, auch das Schalkhafte,
das wie ein Kichern durch einige der Blätter weht.
Sich mit diesen Zeichnungen zu
beschäftigen, ist zugleich vertracktes Spiel. Deshalb Vorsicht
vor zu schnellem Verstehen-Wollen. Da ist nicht alles bis zuletzt
aufzulösen. Je mehr sie eindringen werden in diese Bildwelten,
je näher sie ihren Geheimnissen zu kommen meinen, umso
nachdrücklicher können sie sich wieder vor ihnen
zurückziehen, und sie werden einen neuen Zugang finden
müssen. Doch keine Bedenken, es gibt viele Zugänge zu
diesen Blättern. Das macht zugleich ihre Qualität
aus, ist ihr besonderer Reiz, ihre ästhetische
Herausforderung. Sie werden erst mit der Zeit erfahren, auf welche
Weise der Künstler in seinen Blättern
erzählt, direkt zugreift, raunt oder flüstert,
betört und kichert, wie er Brücken baut zu den
Betrachtern und sie zugleich wieder zerstört. Sehen sie hin,
trauen sie ihrer Phantasie.
Lassen sie sich darauf ein, wie
z.B. der Sonnenheld aufsteigt, mit seinem Masken-Schild, als wollte er
wie einst Perseus die Medusa töten. Sicher kommt er die Stufen
herauf und wird dem Wasser dennoch kaum standhalten, in das die
Schlange mit dem merkwürdigen Frauengesicht
geflüchtet ist, die Treppen hinab in die Tiefe. Oder lockt sie
ihn in ihr eigenes Element, sein Feuer zu löschen... Es
wundert kaum, dass der Fisch, altes Symbol von Eros und Fruchtbarkeit,
übermächtig aus dem Nass springt und zum eigentlichen
Beherrscher der Szene wird.
Oder der König mit der
Pusteblume, der mit gespannten Flügeln ausschreitet, eine
Pusteblume bei sich, die ihre Samen noch nicht verstreut hat.
Traumlandschaft in die sich unverrückbar das Brustbild einer
Frauengestalt geschoben hat, übermächtig, als
wäre sie unberührbar. Das Blatt Wasserdrache und
gelbe Blüte. Auch darauf eine Frau, hier mit Krone und
verführendem Blick, zwischen deren Fingern eine kleine gelbe
Blüte aufsteigt. Zauberin, die weder vor dem Stiermann links
neben ihr noch vor dem Wasserdrachen in der Mitte des Blattes Furcht zu
haben scheint. Und dann das undurchschaubare Schachspiel in freier
Landschaft mit den zwei Göttinnen und dem König, der
sich als übermächtige Figur gleich selbst aufs
Schachbrett gestellt hat, während in der Ferne eine Wolke
Regen auf eine Sphinx fallen lässt. Unergründbarer
Zauber, das Spiel dieser Traumwesen, die irgendwo auch in unserem
Inneren hausen, tief vergraben, verschüttet vom Lärm
und Geschrei all der oberflächigen Bildzeichen, von denen wir
täglich umstellt sind. Welch fesselnd unnahbare Ruhe hingegen
auf dem Blatt der Drei Einäugigen, auf dem eine
einäugige Sonne mit ihren Zackenstrahlen einen unter ihr
Liegenden durchstößt. Und nicht nur ihn, auch den
Fisch, an dem er sich festhält. Woher kennen wir das, was
beunruhigt uns.
Sogar die in sich versunkene
Lesende Frau, geborgen in ihrem eigenen Schatten, ist nicht nur eine
Genreszene. Sie trägt einen Kopfputz, der in einem
Schlangenkopf mündet. Die Schlange hier Symbol der Weisheit,
des geheimen Wissens der Frauen, das sie früher zu Hexen
gestempelt hat. In dem Blatt Maskerade verstecken sich Verwandlungen,
Kreisläufe des Lebens. Der Kaspar, der nach der
zackenstrahlenden Sonne greift und vom Tod geführt wird, eines
dem anderen unentrinnbar verbunden. Oder die wunderbare Arbeit Meine
Tiere und ich. Grünes Vogelwesen, rote Katzenfrau und blauer
Fisch, die beherrschend aus dem wie selbstverständlich
leiblosen großen Kopf steigen, mit ihm in dem weiten leeren
Raum eine neue körperliche Einheit zu bilden. Rechts im
Hintergrund steht sinnend der Stiermann, als würde er im
vorderen Bildgeschehen seinem inneren Sein begegnen. Ganz anders Kein
Benehmen. Wer hat keins, der mit rotem Hemd bekleidete König,
der den dreiäugigen Fisch auf die neben ihm stehende nackte
Frau richtet, oder eben diese Frau, die sich trotz ihrer
Flügel nicht als Engel zeigt, obszön mit einem ihrer
drei Beine in den schwarzen Kreis des Königs tritt,
einäugig und einarmig, ihre drei Brüste wie schwere
Steine am Hals. - Wer träumt das, aus welchen Urmustern ist
das gespeist und mit welch lockerem Leichtsinn ist diese groteske Szene
ins Blatt gesetzt. Was für ein kombinatorisch hintersinniges
Spiel. Ähnlich bei den drei Grazien, die von Paris
offensichtlich alle drei den Apfel zugesprochen bekommen haben, nun in
Konkurrenz auf immer verbunden. Oder der Kuss der Mücke.
Beherrschend übermächtig breitet ein
mückenähnliches Wesen seine schönen
Flügel über den unter ihr wie leblos liegenden
männlichen Körper, sichtbar ihre Brüste, ihn
mit ihrem Stechrüssel einen Kuss zu geben. Wird sie ihn
aussaugen, zeichnen, verwandeln, gar mit ihrem Kuss erwecken? Der
Himmel rot, die sich zum Horizont streckende geflieste Fläche
ebenso. Man wagt ihn kaum zu deuten, den geflügelten Mann
links neben der Szene, als wäre er selbst der Liegende, einem
erregend ambivalenten Traum verfangen.
Sogar der Künstler taucht
in seinem Selbst mit Schnorchel ins Wasser ab, neben sich den lockenden
Fisch. Er sieht auf uns mit wassergeweiteten Augen, als wäre
er in einem Aquarium gefangen. Doch vergessen sie das schalkhafte
Zwinkern nicht, das allerdings unter Wasser nur schwer gelingen kann.
Denn sind nicht eher wir es, die in einem Aquarium hocken, kaum mehr
fähig, unsere Sinne zu gebrauchen...
So ist jedes Blatt voller
Anspielungen und Verweise, Traumland eben, surreales Spiel der Muster
und Bedeutungen, des Vorn und Hinten der
Größenverhältnisse. Eigentlich sind es
Poesien des Ungreifbaren. Tauchen sie ein, in diese phantastischen
Welten, mythen- und märchendurchwebt, sie werden fasziniert
sein, Freude empfinden, sie werden erschrecken und aufatmen.
Ina Gille
ECKART MEISEL "Malerei, Grafik,
Plastik" In der Industrie und Handelskammer Vernissage am 16.9.2004
Die heutige Ausstellung hier im
Foyer der IHK zeigt Plastiken, Ölmalereien und
Computergrafiken von Eckart Meisel. Er wurde 1955 in Leipzig geboren
und wuchs in einem künstlerisch aktiven Elternhaus auf. Wie
andere kunstbesessene junge Menschen dränge er an die
Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo er auch
immatrikuliert wurde. Aber schon sehr bald wurde ihm bewußt,
daß dies nicht sein Weg zur Kunst war. Unbeeinflußt
von Lehrplänen und Lehrdoktrinen mußte er sich
selbst finden. Längst ist er angekommen in seiner
phantastischen , phantasieanregenden Kunstwelt. Diese Kunstwelt ist
eine faszinierende Phantasiewelt, in der sich reale Gestalten und
Geschöpfe alter Mythen und der christlichen Religion, seltsam
tiermenschliche Wesen Pflanzen und abstrakte Gebilde in trauten oder
skurrilen Situationen zusammenfinden und uns emotional
anrühren und uns suggestiv anziehen.
Dies geschieht in seiner ganz
persönlichen eigenwilligen Formsprache, die in aquarellartig
fließenden Übergängen den Wandlungsprozess
von der Realität hin zu fabulierender Phantastik oder
surrealer Verfremdung Traumsequenzen gleich - bis hin zu
gestaltauflösender Abstraktion möglich macht, ja
überzeugend erscheinen läßt. Die
Methamorphose ist sein großes Thema, wobei die klassischen
Topoi eine originelle individuelle Wandlung erfahren und sich mit
Neuprägungen mischen. In dieser seiner Kunstwelt
schließen sich Gemälde, Grafiken, Plastiken und auch
seine Keramiken zu einer vollkommenen ästhetischen Einheit
zusammen. Ohne jeden Bruch geben sie sich als künstlerische
Geschöpfe die aus der reichen Phantasiewelt eines begabten
Künstlers entsprangen, zu erkennen. Es bereitet mir - und ich
hoffe auch Ihnen - ein ungeheueres ästhetisches
Vergnügen, in diese Welt seiner Kunstgeschöpfe und
Objekte einzutauchen, seine Arbeiten zu betrachten, zu
ergründen und mich zum weiterfabulieren anregen zu lassen.
Sicher, vieles ist nicht bis ins letzte Detail rational
erklärbar - soll es auch gar nicht sein. Gerade darin,
daß sie ihr letztes Geheimnis nicht preisgeben und auch der
Phantasie des Betrachters noch einen Freiraum lassen, liegt ein eigener
Reiz. Wobei die subtile, feindifferenzierte oder intensiv aufleuchtende
Farbigkeit eine ungeheuere Faszination ausübt.
Aber - auf ein Phänomen
muß ich noch zu sprechen kommen, auf einen scheinbaren
Widerspruch. Diese Farbgrafiken - Zeugnisse einer ungewöhnlich
reichen,individuellen schöpferischen Phantasie und
ästhetischen Sensibilität entstanden mit Hilfe des
modernsten technischen Mediums unserer Zeit: auf dem Computer. Und mit
Hilfe dieses Computers, der für unendlich viele schnelle
geschmacklose optische Lösungen verantwortlich gemacht wird -
verantwortlich gemacht werden kann - hat Eckart Meisel eine neue
künstlerische Freiheit gewonnen und einen weiteren
gestalterischen Durchbruch erzielt, hin zu einer in sich geschlossenen
und überzeugenden Ausdruckskraft. Ursprünglich eine
Notlösung wurde er zu einem unverzichtbaren Impulsgeber.
Wenn die kleine Ladengalerie in
einer Passage des Städtischen Kaufhauses während der
Öffnungszeiten weder von interessierten Besuchern noch von
Käufern frequentiert wurde mußte die tote Zeit
irgendwie genutzt werden. Anfangs versuchte Eckart Meisel zu malen,
doch das scheiterte an den schlechten Lichtverhältnissen. Also
begann er den Computer im Hinblick auf seine
freikünstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten
auszuloten und entdeckte für sich eine neue Freiheit zu
experimentieren. Gedanklich-Konzeptionelles konnte er ebenso wie
unterschiedliche Formabläufe in Variationen durchspielen -
befriedigende oder überraschende Lösungen speichern,
andere löschen. Jederzeit konnte er sich erneut mit den
zurückgestellten Konzepten erneut auseinandersetzen. Es war
ein langer, arbeitsintensiver Prozess von den Anfängen bis zu
den heute hier gezeigten reifen Leistungen, aber auch das einzelne
Blatt betreffend. An manch einer Grafik zog sich die Arbeit
über Monate, ja manchmal Jahre hin. Er suchte nicht nach der
schnellen, sondern nach der befriedigenden Lösung, die
letztlich dann auch uns überzeugt. Natürlich spielte
auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. Die künstlerischen
Arbeitsmaterialien: Malpappen, Papier, Leinewände und Farben
sind sehr teuer. Muß man mißlungene Versuche
vernichten ist dies eine enorme Kostenfrage und so entsteht ein
ungeheuerer Druck, dies zu vermeiden, sich möglichst auf kein
Risiko einzulassen. Die Arbeit am Computer schließt beim
Verwerfen und Neukonzipieren das finanzielle Risiko aus und
lädt regelrecht zu weitergehenden versuchen und zu
Steigerungen ein. Kunst ist eben auch von diesen scheinbar
außerkünstlerischen Faktoren abhängig, vor
allem dann wenn die Arbeiten zwar Liebhaber keine oder nur wenige
Käufer finden, der Künstler aber seinem
unverzichtbarem Drang folgen muß, Kunstwerke zu schaffen.
Aber die Computergrafik hat auch einen Vorteil für den
Käufer, denn der Künstler kann sie bedeutend
preiswerter anbieten als vergleichsweise eine Farblithografie.
Interessant ist weiterhin - wenn wir schon einen Blick auf den
künstlerischen Schaffensprozess werfen, daß Eckart
Meisel nach seiner Arbeit am Computer fast zwanghaft zu den
traditionellen künstlerischen Materialien
zurückkehren muß und auf ganz traditionelle Weise
Plastiken und Keramiken m it den Händen formen muß.
Das Erspüren und manuelle Herausarbeiten einer Form und neuer
Formvorstellungen ist die Grundvoraussetzung für ihn, ehe sie
dann als abrufbares und variables Gestaltungselement in seinen
imaginären Formenschatz eingeht. In ähnlicher Weise
ist auch die Ölmalerei, die ebenso wie die Grafik nach einer
zweidimensionalen bildhaften Verdeutlichung strebt, Prüfstein
und Messlatte seiner Bildphantasien.
Alles in allem präsentiert
uns Eckart Meisel ein hochinteressantes OEuvre zwischen traditionellen
und modernen Medien - eine individuell absolut eigenständige
und überzeugende künstlerische Leistung.
Ich würde mir
wünschen, im Interesse des Künstlers vor allem aber
auch im Interesse der Arbeiten, daß sie den Weg zu uns finden
- unseren Alltag und unser Leben verschönern und bereichern.
Anneliese Hübscher
Zur Eröffnung der
Ausstellung "auf Flügeln" bei Jürgen Pietsch in
Spröda
Zum dritten mal auf
Flügeln - die Muse hebt ab und wir sehen ängstlich
dem Kondensstreifen nach - wo wird sie einschlagen? Was haben die
Künstler ausgebrütet um uns Ahnungslose zu erfreuen
oder zu überrumpeln - was haben sie in ihren Dunkelkammern
ausgekocht, in ihren undurchsichtigen Köpfen sich ausgedacht.
Mit welcher Absicht ihr Publikum angelockt. Wir wissen es noch nicht
genau. Aber ein gutes Publikum ist mutig und es hat ein dickes Fell. Es
wird uns schon nicht auf die Bretter hauen - wir werden es
überleben. Und falls uns etwas allzu spanisch vorkommt sind
wir im Vorteil - wir dürfen die Künstler fragen nach
dem Sinn ihrer Arbeit, nach ihrer Stellung in der Gesellschaft und nach
der Funktion der Kunst heutigentags. Spätestens dann sind sie
geliefert- spätestens in diesem Moment - so lehrt es die
Erfahrung - werden die Damen und Herren Künstler ins Schwitzen
Kommen und unsolide Auskünfte geben. Und wenn einer dabei ist
der nicht ins Schleudern gerät ist er nicht echt- haha- kein
Künstler erster Qualität sondern ein
abgebrühter Routinier - ein Gauner der es womöglich
auf unseren intimsten Teil abgesehen hat - ein Ferkel das unser
Portemonaie anfassen will. Aber so schlecht wäre es doch auch
wieder nicht genaueres über das Innenleben der
Künstler zu erfahren - wie funktioniert so ein begnadetes
Gehirn ? Warum schnuppert der Künstler freiwillig am Wahnsinn
- warum zupft er den Tiger am Schwanz? Ist es überhaupt
sinnvoll sich mit Kunst zu befassen. Fragen so alt wie die Kunst selber
und so ist es sinnvoll die Antwort in der Steinzeit zu Suchen. Damals
gab es eine klare Aufgabe für die Künstler - die
Zauberei war ihre Hauptarbeit. Wer jemanden erledigen wollte, gab
einfach eine Holzfigur in Auftrag und haute dann mit dem Hammer drauf.
Damit war das Problem gelöst. Wollte jemand eine
schöne Frau erobern - er ging zum Künstler, der
machte ordentlich Musik und bevor der letzte Ton verklungen war
saß die schöne Frau schon auf dem Sofa. Das ging
Tausende von Jahren so. Die Künstler hatten ihr Auskommen, und
brauchten nicht über den Sinn ihrer Arbeit
nachzugrübeln. Über komplizierte
künstlerische Probleme brauchten sie sich nicht den Kopf zu
zerbrechen, den alles war schon Tausendmal gemacht worden und immer
erfolgreich gewesen. Aber die Zeiten sind härter geworden,
Will man heutzutage jemanden erledigen gibt es tausend Wege das zu tun
- ganze Institutionen warten auf einen Auftrag - aber zum
Künstler wird bestimmt keiner gehen. Will man eine
schöne Frau erobern, Tausend Sachen kann man ihr kaufen - zum
Selbstfindungskurs kann man gehen, jede Wochenzeitschrift gibt ihren
Senf dazu. Aber was kann die Kunst einem dabei helfen? So erscheinen
die Künstler heutzutage als nutzlose Bande, ein versprengtes
Volk, das sich sein Brot mühsam zusammenorganisieren muss oder
in künstlichen Nischen von der gehobenen Gesellschaft
gehätschelt wird - wenn sie schön brav sind. Damit so
scheint es - könnte es schon erwiesen sein - die
Künstler sind nicht ganz richtig im Kopf. Denn warum Treiben
sie einen Beruf der doch so nutzlos scheint. Was springen sie hier in
der Gegenwart herum, in einer Gesellschaft in der sie nichts verloren
haben. Deprimierende Fragen, die die Realität mit sich bringet
die die Realisten stellen und denen die Künstler immer wieder
geschickt auszuweichen versuchen. Denn sie sind geblieben was sie schon
immer waren. Ernste Schamanen Zigeuner, Kasperköpfe - sie
haben etwas gelernt in den Jahrtausenden in denen sich der Geist gegen
die Idiotie verteidigt - eine Fähigkeit die vielen Leuten mehr
und mehr entgleitet haben sie aufrecht erhalten - die
Fähigkeit den Spieß umzudrehen - die muffigen Fragen
zurückzugeben die an sie gestellt werden - Die Kunst das rote
Tuch vor der Nase der dicken Kuh zu schwenken und sie, wenn vielleicht
nicht gleich zu erledigen, so doch ihr bunte Fähnchen in den
Buckel zu pieken und sie beim ewigen Wiederkäuen zu
stören, und uns so den Spiegel vorzuhalten - den Spiegel, der
zugleich ihr Schild ist.
Eckart
Meisel
Rede
zur Ausstellungseröffnung im Landestheater Wolfen 1993
Auf die
am häufigsten gestellte Frage, der Frage nach meiner
Motivation, habe ich keine Antwort. Denn eine routinierte Antwort auf
diese Frage kann nur eine Konserve sein. Sie kann unversehens zur
Lüge werden, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten
ist. Zuviel haben wir bereits derlei gelöffelt, haben glatten
Worten Glauben geschenkt, Meinungen übernommen, ohne die
Inhaltsstoffe zu überprüfen. Die Folgen der
Übersättigung mit Fertignahrung liegen auf der Hand.
Der Umgang mit Konservierungsstoffe ist gefährlich. Altes seit
hundert Jahren bewährtes Gedankengut, sieht taufrisch aus und
ist leicht zu schlucken. Es kann verdorben sein, statt den Humus zu
bilden für das Neue, was wir selbst ernten und selbst
zubereiten müssen. Trotzdem möchte ich den Fragenden
nicht allein lassen. Ich versuche zu beschreiben, wie ich die Kunst
anderer erlebe.
In der
Zeit als die Tiere noch sprechen konnten und das Wünschen noch
half, mußte noch niemand der Wahrheit nachjagen, denn alle
verstanden einander, alle träumten die gleichen
Träume und fraßen einander in aller Unschuld. So war
es, bevor das geschah, was den Menschen zum, Menschen machte - vor der
Eiszeit - bevor wir lernten unsere Träume voreinander zu
verbergen, bevor das Lügen aufkam. Die gute alte Zeit ist
vorbei. Nur Menschen, die sich lieben oder an der gleichen Sache
arbeiten, können einander noch einigermaßen
verstehen. Wer sagt, was er für wahr hält oder wer
seine Träume verrät, wird in Teufels Küche
kommen oder für einfältig gehalten.
So versucht jeder für sich allein seine Träume nicht
ganz aussterben zu lassen, die Erinnerung an das Paradies nicht ganz zu
verlieren. Denn ohne sie wäre die Wirklichkeit in der wir
leben, nicht zu ertragen, wäre die Hölle, an der wir
alle fleißig bauen, nicht auszuhalten. Bilder und Lieder sind
ein Ausweg aus unserem Zwiespalt. Zwischen den Zeilen in den Figuren,
finden wir Träume und Wirklichkeit in einer Gestalt, Lamm und
Wolf nebeneinander. Die schreckliche Wahrheit ist zu Ende
geträumt. Die schöne Illusion ist verwirklicht. Wenn
wir zwischen schönen Farben die schlimme Wahrheit ahnen,
zwischen grimmigen Gestalten die Heiterkeit entdecken, ist es jenes
Unausgesprochene, was uns anspricht, jenes Vergangene was
gegenwärtig ist.
Eckart Meisel
Rede zur Ausstellungseröffnung bei Hewlett Packard 1996
Diese Ausstellung aufzubauen hat
drei Tage gedauert. Der Text den ich Ihnen vorlesen werde stand
für mich am Anfang dieser Arbeit. Er war mir ein Halt, eine
Begründung, Ihnen diese Bilder zu zeigen, die ein
Stück meines Lebens sind, ein Teil meiner selbst.
Während ich meine Bilder
aufhängte, spürte ich hinter der Fassade der
weißen Hemden der Mitarbeiter schüchternes
Interesse, entdeckte hinter einem Spiegel versteckt, die Schuhe einer
Kollegin, und auf diesem Spiegel tatsächlich eine lebendige
Fliege. Es wurde mir erlaubt, Nägel in die
Büromöbel zu schlagen und so begann das, was meine
Arbeitshypothese war, zu schmelzen wie eine Eisscholle die langsam in
wärmere Gewässer treibt. Dieser Text - er stand am
Anfang meiner Arbeit - er ist zum Abschluß geworden. Er war
eine Behauptung - verstehen Sie ihn jetzt als eine Frage.Räume
wie diese sind mir fremd, so fremd, daß ich fast glauben
möchte, daß es andere Menschen sind als ich, die
hier arbeiten - anders im Handeln, anders in ihrem Denken. Auch die
Kaffeemaschine und die Topfpflanzen, die Alarmanlage und die
Aschenbecher können mich nicht darüber
hinwegtäuschen - keine Katze würde hier freiwillig
leben. Jedoch - die weise Geschäftsleitung hat beschlossen, es
regnen zu lassen in der großen Wüste Gobi.
Genaugenommen sind nur ein paar winzige Tropfen Tau gefallen auf die
glühenden Steine. Aber das hat bereits ausgereicht - die
Sandflöhe haben sich verkrochen für kurze Zeit und
der Indianer ist erschienen. Er hat das Risiko auf sich genommen einen
Abend lang das Outback zu besuchen, vielleicht um eine neue Lebensform
zu entdecken, eventuell sogar eine winzige Oase zu finden. Hoffen wir,
daß er sich nicht verirrt außerhalb seines
Reservates, daß er nicht auf einen Skorpion tritt oder eine
Schlange. Und beten wir, daß er sich zu benehmen
weiß in der Fremde und keinen ahnungslosen Schläfer
versehentlich skalpiert. Seine Trophäen und Amulette hat er
mitgebracht, denn er ängstigt sich vor dem Unbekannten dem er
gegenübertreten will. Doch für einen für
kurze Zeit hat er seine Maske hat er abgenommen, denn er muß
genau sehen können was er zu verstehen versucht, was ihm
unbegreiflich erscheint. So wie er gekommen ist wird er bald wieder
verschwunden sein. Spätestens wenn die Maschinen angeschaltet
werden, wenn die Armee sich in Marsch setzt wird klar - dies ist nicht
sein Gebiet und das Einzige was er vielleicht mitnehmen kann ist eine
schwache Erfahrung, eine Ahnung von dem, wonach hier im Sand
gewühlt wird Tag für Tag. Seine Spuren werden noch
eine Zeit lang bestehen bleiben. Auch wenn die Hoffnung gering ist,
daß jemand kommen wird, der sie lesen will, erinnern sie doch
an die Begegnung zweier Welten in der Zeit der Dämmerung an
der Grenze zwischen Tag und Nacht.
Eckart Meisel.
Rede zur
Ausstellungseröffnung Eckart Meisel, Digitale Grafik
12.März - 8.Mai 2005
Eckart Meisel`s
Künstlerbiografie wäre zweifellos eine
Erzählung wert. Zumal ihm in absehbarer Zeit ein
Jubiläum ins Haus steht.
Man könnte mit seiner
Kindheit in Leipzig beginnen, mit der Faszination, die die Exponate des
Völkerkundemuseums auf ihn ausübten und
ausüben, mit seiner spielerischen Freude und Begeisterung an
Assecoires wie farbigen Glasperlen und Knöpfen, die ihn bis
heute nicht verlassen hat. Man könnte jenen vielzitierten Satz
vom Sonderling, der es an keiner Akademie lange ausgehalten habe,
zitieren. Man könnte davon sprechen wie er von der Malerei mit
Ölfarben dazu gekommen ist Ton zu formen, Glasuren aufzutragen
und zu brennen, man könnte von seiner allerersten Begegnung
mit einem - heute längst antiquierten - Computer berichten und
wie er vor einiger Zeit vom Zeichenstift zu Computermaus und Tastatur
gekommen ist.
Doch belassen wir es bei der
Möglichkeitsform, auch wenn die Verlockung groß ist,
(- allein die Geschichte des Aufbaus dieser Ausstellung wäre
hörenswert -) denn Eckart Meisel hat darum gebeten, weniger
über ihn als seine Arbeiten zu sprechen.
Vielleicht erinnert sich der eine
oder andere von ihnen, dass es in dieser Galerie schon einmal eine
Ausstellung Eckart Meisel`s gegeben hat. Es war 1996. In dieser ersten
Kaditzscher Ausstellung wurde ein repräsentativer Querschnitt
seiner damaligen Arbeiten - Ölbilder, Plastik und Keramik -
gezeigt. Gefäße, Krüge und Figuren brachte
der Keramiker Meisel damals also ebenso mit, wie er es heute getan hat.
Und es wird heute ebenso interessant sein, zu entdecken und zu
vergleichen, einzudringen in die Bild- und Symbolwelten, die die
keramischen Arbeiten kennzeichnen wie das malerische Werk, die die
keramischen Arbeiten nicht nur zieren, denen sie vielmehr eignen, und
die sie in gelungener Symbiose von Form und Bildhaftigkeit in den Rang
von Kunstwerken erheben. Doch völlig neu und auch neuartig in
ihrem Wesen sind die Zeichnungen, die hier erstmals zu sehen sind.
Seit drei Jahren arbeitet Eckart
Meisel am Computer. Digitale Grafik nennt er das, was entsteht. Der
Faszination des neuen Mediums konnte und wollte auch er sich nicht
entziehen. Und die Ergebnisse erstaunen, lassen sie doch kaum an
einschlägige Computerkunst denken. Zarte, poetische Arbeiten
sind mittels Maus und gebräuchlicher PC-Werkzeuge entstanden.
Filigrane Linien, Figuren, die mitunter über Farbfeldern zu
schweben scheinen, in durchaus archaisch zu nennender Anmutung, die
Assoziationen zu frühzeitlichen Höhlenzeichnungen
hervorzurufen vermag. Dünne Umrisslinien, Menschen und Tiere,
Zeichenhaftes, Symbolisches.
Eckart Meisels Arbeitsweise am
Computer ist nicht weniger anstrengend und aufwändig als es
traditionelle grafische Verfahren sind. Es braucht seine Zeit, bis er
Farbe und Form gefunden hat, so experimentiert er zum Beispiel mit
eingescannten indischen Stoffen und Vogelfedern, die er
Farbflächen seiner Zeichnungen unterlegt. (In dem Bild "Ich
will kein Käfer sein" ist die nackte Haut einer Frauengestalt
beispielsweise von einem solchen Muster durchdrungen.) Der Eindruck von
Lebendigkeit und Bewegung entsteht und diese Musterung erinnert auf
eigentümliche Weise an polynesische Tatauierungen.
Thematisch setzt Meisel das fort,
was schon früher für seine Arbeiten charakteristisch
war: Die Anrufung märchenhafter und mythologischer
Bezüge, Tierdarstellungen, oft in Verbindung mit Menschen.
Archetypisch anmutendes, das auch in den Titeln deutlich wird: Dame auf
Einhorn, Kind mit Schlange und Schildkröte, Achilles und
Schildkröte. Salome.
Wer Meisels frühere
Arbeiten mit den am Computer entstandenen vergleicht kommt nicht umhin
verwundert zu bemerken, dass trotz - oder wer weiß -
vielleicht auch gerade durch das moderne Medium eine Linie beharrlich
voranschreitet: Es ist eine Kontinuität in seinen Arbeiten zu
finden, der auch ein radikaler Wechsel im Entstehungs- und
Arbeitsprozess erstaunlicher Weise keinen Abbruch tut. Eine solche
Kontinuität kann sich wohl nur dort zeigen, wo
künstlerisches Schaffen aus einem unerschütterlichen
Kern heraus erwächst.
Jener Kern, ist, so scheint es mir,
der spezifisch Meiselsche Traum der Welt, der in seinen Arbeiten auf
vielfältige Weise in Erscheinung tritt, Gestalt annimmt und
beim Betrachter wiederum Traumwelten anspricht, in denen Mythen- und
Märchenhaftes die Grenzen realer Alltagswahrnehmung im
glückhaften Falle aufzuweiten vermag.
Mehrfach vertreten ist in dieser
Ausstellung das Motiv von Drachen und Drachentöter, als
digitale Grafik und als Plastik.
In christlicher Tradition und
Ikonografie ist Georg, der Drachentöter, der Soldat, der
standhaft an seinem Glauben festhält, selbst in schlimmster
Bedrängnis und Tortur. Der Ritter mit Lanze und Schwert,
zumeist auf einem weißen Pferd dargestellt, im Kampf mit dem
Drachen ist in diesem Zusammenhang seit dem 12. Jahrhundert beliebtes
Motiv in Malerei und Plastik. Der Legende nach hauste in einem See vor
der Stadt Gilena in Lybia der Drache, dem nach anderen Tier- und
Menschenopfern auch die durch das Los bestimmte Königstochter
zugeführt werden sollte. Der Ritter Georg besiegt ihn durch
das Kreuzeszeichen und durchbohrt ihn mit der Lanze, die
Königstochter kann dem Drachen ihren Gürtel als
Halsband umlegen und ihn in die Stadt ziehen, wo. Georg, ihn mit dem
Schwert tötet, nachdem sich der König mit allem Volk
taufen ließ.Soweit die christliche Legende.
Doch die Gestalt des mythischen
Drachentöters ist weitaus älter und der Drachenkampf
besitzt zweifellos einen eschatologischen Charakter. Die Vielzahl der
Drachenköpfe kann für die Vielfältigkeit der
Deutungsmuster stehen und der Ambivalenz des Drachens selbst, der, je
nach Kulturkreis und religiösem Kontext, ebenso
Glücksbringer wie furchteinflößendes Urtier
ist, Höllenfürst und Symbol vorchristlicher Zeit, in
der die Menschen in einem beseelten Naturreich mit Baum- Fluss- und
Tiergeistern Konversation betrieben.....
>Nun ist Meisels Totemtier offenbar
ein Krokodil und das ist - bemühen wir unsere Phantasie - vom
Drachen schließlich nicht sehr weit entfernt. Ist der
Künstler also ein kühner Ritter, der mittels Form,
Farbe und den Welterzählungen vom Ursprung der Dinge die
triste Welt der Schaltkreise verändern will? Meisels
Drachenkampfbild zeigt einen roten Drachen, zu Boden gekämpft,
sich im Abwehrkampf noch windend, doch sein Schicksal scheint
besiegelt, denn der Ritter über ihm - gänzlich in Rot
- ist noch voller Kraft und gewillt den Kampf für sich zu
entscheiden. Der Drachenkämpfer ist hier nicht hoch zu Ross
dargestellt, vielmehr ist er mit seiner Lanze und dem liegenden Drachen
verschlungen, Distanz ist im Getümmel längst verloren
gegangen. Ein Reittier ist im Bildhintergrund zwar zu sehen, doch es
ist merkwürdigerweise ungesattelt und scheint vollkommen
unbeteiligt. Am linken unteren Bildrand hat eine blaue Blume Platz
gefunden, und verkörpert die Blume an sich eine Jahreszeit,
verweist die blaue Farbe auf mehr. Zweifellos wohl auch auf einen
Zustand des Verlangens, der Sehnsucht nach unwiederbringlich
verschwundenen Zeiten. Dafür spricht, dass weiter dahinter,
sehr klein schon, man könnte sagen, gewissermaßen im
Verschwinden begriffen, ein Paar zu sehen ist, Mann und Frau,
andeutungsweise in Felle gekleidet. Ein menschliches Paar, das auf eine
Frühzeit der Menschheit hinweist, in der wir nicht mit
Maschinen, sondern mit Tieren vertrauten Umgang pflegten. So stellt
sich denn die Frage: Hätte man die Drachen seinerzeit besser
hegen und pflegen sollen, statt sie zu bekämpfen?
Hätte man sich mit ihnen vertraut machen, ihre schuppigen
Hälse berührend, sich wärmen lassen sollen
von ihrem heißen Atem? Auch dies hätte gewiss Mut
erfordert, Ausdauer und Entschlossenheit. Alles, was ein Kampf mit
ihnen über geeignete Waffen hinaus verlangte. War es also
nicht gleich, welche Form der Annäherung der
Drachentöter wählte? Und sind nicht beide
Möglichkeiten lediglich Variationen einer Auseinandersetzung,
die nun nicht mehr möglich ist, nicht mehr möglich
sein kann, weil die Drachen nicht mehr auffindbar sind, nicht mehr
existieren? Unauffindbar selbst ihre schädelgesäumten
Höhlen sind, unhörbar ihr donnerndes
Brüllen, und wir nicht einmal mehr den versteinerten Spuren
ihrer Klauen auf unseren asphaltierten Wegen begegnen können?
Es ist eine Sehnsucht nach
Versöhnung, die aus diesem Bild zu sprechen scheint.
Versöhnung von Mythos und technisierter Welt, der Traum von
der Aufhebung der Gegensätze, die in Meisels Themen, ihrer
Darstellung und seinem Arbeitsmittel zueinander finden. Und so gesehen
bekommt Meisels zeichnerische Arbeit am Computer etwas Subversives. Ist
es der Versuch in die selbstgerechte, hermetische Welt von 0 und 1
einzudringen mit mythischen Figuren und Symbolen, mit Vogelfedern und
indischen Stoffmustern.
Meisel hat sich wohl
verführen lassen, aber er hat der Vereinnahmung widerstanden.
Und das ist gewiss nicht wenig. Die Künstlerautorität
lässt er sich nicht von einer Maschine nehmen. Er ergibt sich
nicht der Ästhetik des Computerbildes, er will sie sich
dienstbar machen, will sie verändern, indem er Eigenes,
unverwechselbar Meiselsches in die Maschine verpflanzt. Aus der
spielerischen Annäherung an ein neues Medium ist eine
Auseinandersetzung geworden. Und In letzter Instanz ist es - mag es
auch allzu pathetisch klingen - ein Kampf auf Leben und Tod, der mit
Mitteln der Kunst hier ausgetragen wird.
Ich möchte mit einem Zitat
des ebenso verehrten wie mitunter geschmähten Dichters Hermann
Hesse schließen, auf das ich im Vorfeld dieser
Eröffnung eher zufällig gestoßen bin und
das mir aus einem durchaus diffus zu nennenden Grund spontan auf Eckart
Meisel und seine Arbeit passend erschien:
"Es ist wunderlich mit der Liebe,
(sagt Hesse) auch in der Kunst. Sie vermag, was alle Bildung, aller
Intellekt, alle Kritik nicht vermag, sie verbindet das Fernste, stellt
das Älteste und Neueste nebeneinander. Sie überwindet
die Zeit, in dem sie alles auf das eigene Zentrum bezieht. Sie allein
gibt Sicherheit, sie allein hat recht, weil sie nicht rechthaben will."
Jörg Jacob